C H Â T E A U D´ E S T H E R
Was haben wir gelernt?
Der September endet mit unserer Ankunft auf dem Weingut Château d`Esther. Wir richten uns auf dem Stellplatz ein, erhalten erste Informationen zur Weinproduktion, speziell für 2015 – vorab: es wird ein ertragreiches Jahr. Das Weingut liegt direkt an der Dordogne und dazu erhalten wir einen Tipp: „Le Mascaret“ oder „Die Welle“! Der Fluss entspringt im Zentralmassiv, führt in den Atlantik. Bei Gezeitenwechsel drückt die Flut, vornehmlich im März und September, eine Welle flussaufwärts. Auf diese Welle warten etliche Surfer, die sich halten oder auch nicht und dann in der Brühe liegen. Die Fließgeschwindigkeit beträgt ca. 40 km/h. Das war schon mal das erste Ereignis und morgen kommt der große Tag! Wir sind gespannt.
01. Oktober, ein Bus mit 36 jugendlichen Rugby-Spielern fährt um 8:45 Uhr auf den Hof, um 9 Uhr beginnt die Einweisung durch Thomas Fabian und wenige Augenblicke später ist in dieser sonst absolut ruhigen Gegend die Hölle los.
Viele haben einen Korb und eine Schere erhalten, wir auch. Aber es gibt auch Transporteure, „Porteur“ genannt. Wer seinen Korb voll mit den Cabernet-Trauben hat, schreit „Porteur“. Dann schreit ein Porteur „Où Porteur?“ – „Wo Porteur?“ und bis er die richtige Reihe gefunden hat, schreit der andere wieder „ici“, so geht es den ganzen Tag.
Die Porteure transportieren die Körbe zum Trecker mit Anhänger, dort wird in große Transportkästen umgefüllt und die Porteure rennen zurück – ein echter Trainingstag für die Mannschaft.
Der Hänger ist voll, fährt zum Hofplatz, derweil werden die geernteten Trauben in großen Tonnen zwischengelagert.
Direkt vor der Produktions- und Lagerhalle ist alles vorbereitet. Vom Hänger schüttet ein kleines Team die Trauben auf eine Rutsche zum Sortieren, 3 Personen suchen nach Blättern und nach schlechten Trauben. Dies ist neben der manuellen Lese die zweite Qualitätsstufe. Da kein Schwefel bei der Produktion verwendet wird, muss auf absolute Sauberkeit geachtet werden.
Die Stiele werden maschinell von den Trauben getrennt und fliegen als Trester in eine Wanne. Eine Pumpe befördert die Trauben mit dem Saft in 2.000 l Stahltanks. So geht es den ganzen Tag.
Für die Rugby-Spieler endet der Tag um 14 Uhr mit dem Waschen der Körbe, verbunden mit großem Spaß bei einer folgenden Wasserschlacht und Nahrungsaufnahme in Form von Baguette belegt mit Salami, Schinken und diversen Käseorten. Französische Hot-Dogs kann sich jeder selbst zubereiten.
Helle und ich stärken uns auch, dazu einen frischen Most aus den eben geernteten Trauben und einen 2011er Wein, lecker! So, noch schnell Cabernet-Weingelee gekocht und ab in die Sonne. Ich merke meinen Rücken.
Es ist eine überdurchschnittliche Ernte, unter anderem bedingt durch ein kräftiges Zurückschneiden der Reben im Winter. Man hätte für die Ernte 3 Tage mit 17 Helfern benötigt, also flotte Jungens! Au revoir!
Für die eigentliche Mannschaft heißt es jetzt säubern: Wasser ohne Ende für Schläuche, Pumpen, Wannen; im Jahr verbraucht Thomas Fabian genau so viel Wasser, wie er Wein produziert.
Der Mann hat gute Nerven, denn nebenbei erfahren wir unendlich viel über die Weinproduktion, selbst mit einem Baguette in der Hand gibt er gerne von seinem Wissen aus den letzten 15 Jahren etwas preis.
Neben den biologischen Verfahren hat er auch den Weg der Biodynamik eingeschlagen und viel für die Bodenverbesserung getan. Bei einem Rundgang gestern über das gesamte Weingut finden wir viele Reihen von unterschiedlichen Obstsorten, Bienenstöcke und diverse Nistkästen. Das Ziel heißt also: raus aus der Monokultur.
Neben vielen Urkunden und Medaillen zum biologischen Wein findet sich auch ein Demeter-Zertifikat für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise. Aktuell ist der größte Stolz der Familie eine gerade vor 3 Wochen erhaltene Goldmedaille in Paris im ??? Hier werden nur 9 Goldmedaillen vergeben, 8 für große Châteaus und 1 für kleine familiäre Produzenten. Und diese ging für den 2012er an Château d´Esther.
Qualität zahlt sich aus, eine lange Kette der Produktion ist dafür verantwortlich: Die traditionelle Bearbeitung des Bodens ohne Kunstdünger geben den Rebstöcken Kraft und Individualität, der Einsatz von Pflanzengift ist nicht erforderlich, Handlese und Selektionstisch, die Hefe wird selbst einige Tage vor Produktionsbeginn aus eigenen Trauben hergestellt, Sauberkeit bei jedem Produktionsschritt (täglich werden die genutzten Behälter gereinigt), wöchentliche Prüfung der Gärstufen durch einen offiziellen Önologen mit dazugehörigem Labor und zusätzlich durch einen Bio-Önologen, regelmäßiges Umpumpen, um Unreinheiten zu filtern und Sauerstoff zuzuführen.
Gerade die selbst hergestellte Hefe gibt dem Wein die besondere Note, ein Alleinstellungsmerkmal, das wohl auch mitverantwortlich ist für die Goldmedaille. Es werden weltweit nur noch wenige Hefesorten eingesetzt, so schmecken viele Weißweine heute zitronig und Roséweine himmbeerig.
Am 02. Oktober ist weiterhin „Großreinigung“ angesagt. Dabei reinigen wir draußen alle Körbe und Transportkästen während die Fachleute sich den Produktionsraum vornehmen. Aber es werden auch die Weine in den Gärbottichen umgepumpt und das bedeutet wieder reinigen.
Bei dieser Aktion dürfen wir gerne dabei sein: Der Rosé soll abgezogen werden. Der Wein wird von oben abgesaugt und in einen anderen Bottich gepumpt. Es bleibt unten nur noch die Resthefe, die extra abgelassen wird, um sie aus Sicherheitsgründen noch 2-3 Tage aufzuheben. Eventuell müsste man sie nochmal dem Wein zusetzen. Und wieder alles reinigen, einschließlich der Pumpe nach jedem Vorgang. Wenn Traubenreste am Bottich-Rand sitzen, führt das zu Essig und das ist nicht gut im Produktionsraum.
Die Hefe zersetzt den Zucker, bildet Alkohol, der dann die Hefe absterben lässt. Bei dem Rotwein verbleibt eine sehr geringe Restsäure, weshalb er sehr bekömmlich ist. Der richtige Zeitpunkt für das Abziehen des Weines ist dann Erfahrung, Gefühl und Geschmack des Winzers in Zusammenarbeit mit seinem Önologen.
Ja, und irgendwann, frühestens in 3 Jahren, werden wir dann den 2015er Bordeaux Supérieur Rouge trinken können. Bis dahin soll er aber noch fermentieren, wird er noch oft umgepumpt, von der Maische getrennt, abgezogen, um dann in den Eichen-Holzfässern ausgebaut zu werden. Und dann ist er noch nicht mal in der Flasche. Langsam verstehen wir die Qualitätsunterschiede.
Auf „unseren“ Wein sind wir schon gespannt und bis dahin genießen wir die früheren Jahrgänge von Château d´Esther.